Jetzt spenden
Update vom 23. Mai: In 30 Städten demonstrieren Aktivist*innen wie hier in Köln für mehr Platz für Fuß- und Radwege
Anne Barth / Greenpeace

Städtische Mobilität und Corona: Auto-Kollaps oder Fahrrad-Boom?

In Brüssel und Bogotá, von Mailand bis Madrid gibt es neue Rad- und Fußwege für den Infektions- und Klimaschutz. Nur in Deutschland passiert zu wenig.

Wir stehen im Stau – auf Fuß- und Fahrradwegen: Menschen zwängen sich mit angehaltenem Atem aneinander vorbei, weichen aus, rochieren vor und zurück, alles mit einem entschuldigenden Lächeln und Schulterzucken – der Corona-gebotene Abstand will gewahrt werden. Doch wie wird die Straße allen Interessen gerecht, wenn auch die Gastronomen angehalten sind, ihre Gäste am besten draußen und weit auseinander zu platzierten? Die Corona-Krise zeigt deutlicher denn je, dass Straßen weniger Orte der Begegnung, als umkämpftes Terrain geworden sind: Komfortable Fahrbahnen für Pkw und Parkplätze, aber Enge auf den Bürgersteigen, Fahrradwege enden im Nirgendwo, dazu noch Baustellen an allen Ecken und auf die Autospuren ausweichen ist nicht erlaubt. Oder doch?

Corona als Chance, den Platz auf der Straße neu zu verteilen

Weltweit nutzen schon über 150 Metropolen die Corona-Krise, um den Platz auf der Straße neu zu verteilen und gleichzeitig die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Zuletzt ordnete Brüssel die Verhältnisse neu und erklärte die komplette Innenstadt zur Tempo-20-Zone. Fußgänger und Fußgängerinnen sowie Radfahrende haben Vorrang vor Autos. Mailand und Madrid widmeten zahlreiche Straßen in Fahrrad- und Fußgängerzonen um, damit sich Menschen in sicherem Abstand bewegen können. In Deutschland hat bisher nur das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Fakten geschaffen: Auf 15 Kilometern wurden Straßenspuren mit Warnstreifen, Piktogrammen oder Baustellenbarken zu so genannten Pop-up Radwegen verwandelt. Bisher ist noch keine weitere deutsche Stadt dem Berliner Beispiel gefolgt – obwohl die Straßenverkehrsordnung (StVO) dies ermöglicht. „Die rechtlichen Möglichkeiten für sichere Radwege sind da, der Bedarf auch. Was fehlt ist der politische Wille“, sagt Marion Tiemann, Verkehrsexpertin von Greenpeace.

 

Bundesweite Demonstration für sichere Pop-up Fahrradwege

In 30 deutschen Städten wollen daher Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace und anderen Verbänden am Samstag für neue Radwege demonstrieren. Mit Pylonen und Piktogrammen werden sie Pop-up Radwege auf Autostraßen öffnen. Sichere Radwege sollen dafür sorgen, dass Menschen Abstände einhalten können und nicht dazu gezwungen werden, ein Auto zu nutzen. Aus Angst vor Ansteckung meiden viele Menschen Busse und Bahnen - dadurch könnten allein in den deutschen Metropolen die mit dem Auto zurückgelegten Personenkilometer um bis zu 20 Milliarden pro Jahr steigen. Die Folge wären zusätzliche bis zu drei Millionen Tonnen an CO2-Emissionen. Dies zeigt eine heute veröffentlichte Kalkulation von Greenpeace. „Damit Corona nicht auch die Verkehrswende infiziert, müssen Städte jetzt mehr Platz für Radfahrende und Fußgänger schaffen“, sagt Marion Tiemann. „Mit besseren Rad- und Fußwegen können Städte einen Verkehrsinfarkt verhindern. Das ist eine riesige Chance, um beim Umstieg auf sichere, saubere und klimafreundliche Verkehrsmittel voranzukommen.“

Mit seit Jahrzehnten stagnierenden CO2-Emissionen gerät der Verkehr mehr und mehr zum Sorgenkind der deutschen Klimapolitik. Um den CO2-Ausstoß auf den Straßen zu senken, empfahlen vergangene Woche auch die Regierungsberater des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Radfahrende und Fußgänger*innen zu stärken und Autoverkehr in Städten unattraktiver zu machen.

Städtische Mobilität nach Corona: Auto-Kollaps oder Fahrrad-Boom?

Städtische Mobilität nach Corona: Auto-Kollaps oder Fahrrad-Boom?

12 | DIN A4

1.26 MB

Herunterladen
Datum

Mehr zum Thema

Installation eines abgestürzten Pkw, der einen EU-Flaggenmast beschädigt vor dem Brandenburger Tor
  • 16.04.2024

Seit zwei Jahren lehnt Verkehrsminister Wissing alles ab, was CO2 spart. Doch andere Sektoren können nicht dauerhaft seine Klimabilanz retten. Daran ändert auch das neue Klimaschutzgesetz nichts.

mehr erfahren
Autobahn mit schnell fahrenden Autos
  • 08.04.2024

Ein Tempolimit ist eine schnelle und kostenfreie Methode, den Verbrauch von Autos zu senken - und es gibt weitere Vorteile.

mehr erfahren
Climate Strike Wir fahren Zusammen Berlin
  • 01.03.2024

Wenn der Bus nicht fährt, kann das auch am Personalmangel liegen. Beim Klimastreik am 1. März geht es um anstrengende Arbeitsbedingungen im ÖPNV und wie wichtig Bus und Bahn für den Klimaschutz sind.

mehr erfahren
Demonstrierende halten ein großes Banner: Das Wort Auto ist in dem Schriftzug Autobahn durchgestrichen
  • 25.01.2024

Deutschland hat eines der dichtesten Autobahnnetze in Europa – und die meisten Bahnstrecken stillgelegt. Analyse zeigt: Wissing plant mehr Straßen als nötig, das zerstört auch natürliche CO2-Speicher.

mehr erfahren
Auf der im Bau befindlichen Berliner Stadtautobahn A 100 legen Aktive ein 8 x 5 m großes Deutschlandticket neben ein ebenso großes Autobahn-Logo auf der Gegenfahrbahn
  • 08.11.2023

Zehn Millionen Deutschland-Tickets werden jeden Monat verkauft. Auch Firmen nutzen das Angebot für ihre Mitarbeitenden. Aber die Erfolgsgeschichte ist in Gefahr, denn die Finanzierung wackelt.

mehr erfahren
Verkehrssituation an einer Kreuzung in Berlin: zwei Straßenbahnen, eine Bahnbrücke, Radfahrende und Fußgänger:innen
  • 05.09.2023

„Autofreie Innenstädte schaden dem Einzelhandel“ oder „Andere Länder treiben die Verkehrswende auch nicht voran“. Wir haben gängige Argumente gegen eine neue Mobilität eingeordnet.

mehr erfahren