Verluste sorgen manchmal für kräftigen Aufwind. Das haben mich mein Leben und das Engagement mit den KlimaSeniorinnen gelehrt: Drei Mal hat die Schweiz unsere Klage abgewiesen, jetzt geht’s volle Kraft voraus. Wir segeln nach Strassburg und verklagen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unser eigenes Land.

Sekuru zeigte auf den Damm, der noch in Umrissen erkennbar war. «Siehst du, da vorne, dieser Damm füllte sich jedes Jahr mit Regenwasser. Aber jetzt nicht mehr. Der letzte Regen fiel vor drei Jahren, die Erde ist ausgetrocknet!»

Auf den Feldern des Kleinbauers Sekuru im Osten Simbabwes, beginnt meine Reise zu Umweltthemen. Das war 1990. Jetzt, dreissig Jahre später, geht es um den Klimawandel schlechthin. Der von Menschen verursachte Klimawandel!   

In meiner Kindheit lernte ich früh, dass die Gletscher unser Wasserreservoir sind und dass unsere Alpen voll davon sind. Doch sie schmelzen: Der Pizol-Gletscher, der zu meiner unmittelbaren Heimat gehörte, ist weg, einfach verschwunden. Die sommerlichen Wanderungen hinauf  in die damalige weisse Pracht gibt es nicht mehr. Stattdessen klafft dort eine weitere Wunde auf unserem zutiefst geschundenen Planeten.

Es ist allgemein bekannt, dass Handeln gegen Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht hilft. Ich stürzte mich in den Umwelt-Aktivismus. Den Job an der Universität gab ich auf und verbrachte das folgende Jahrzehnt damit, finanzielle Unterstützung für grüne Start-up-Unternehmen zu finden. Wir scheiterten bitter, aber die Plattform für Umweltbelange, von vielen zusammen aufgebaut, hatte Bestand. Und so blieb meine Motivation, ja, sie erlebte einen neuen Höhepunkt dank der Bewegung der jungen Generation «Fridays for Future». Könnte es für mich mit 72 Jahren dort vielleicht einen Platz geben? Wohl eher nicht!

Doch dann entdeckte ich eine sehr engagierte, gleichaltrige Frauengruppe. Die KlimaSeniorinnen. Was für eine mutige Gruppe älterer Frauen. Einige mögen körperlich geschwächt sein, doch ihr Geist ist stark geblieben, ihr Engagement für Gerechtigkeit unerschütterlich. Es ist ihre Altersgruppe – meine! – die am meisten unter den langen Hitzewellen leidet. Deshalb klagen wir den Staat an, der zu wenig gegen den Klimawandel unternimmt, immer noch relativiert und abwimmelt.

Das kann eine historische Wende einläuten

Wir KlimaSeniorinnen richteten unseren Appell erstmals im November 2016 an den Schweizer Staat und forderten strengere Klimaziele, weil unsere Gesundheit gefährdet ist. Die Regierung hat unsere Beschwerde drei Mal abgewiesen. Das Oberste Gericht erklärte, das Pariser Abkommen sei zwar noch nicht erfüllt, aber es bleibe noch genügend Zeit, es zu erreichen. Ein recht abenteuerliches Argument.

In der Schweiz ist die Prävention von Lawinen und Hochwasser tief verankert. Warum gilt dasselbe nicht für den akuten Klimawandel? Wir warten ja auch nicht unvorbereitet auf den Lawinenniedergang und kümmern uns erst im Nachgang der Katastrophe ums Problem, Nein, wir investieren im Voraus in Verbauungen. Warum fehlt die Prävention beim Klima? Das lässt mich verwirrt und sogar verärgert zurück.  

Unsere Regierung lässt uns im Stich – deshalb bringen wir unseren Fall ausserhalb der Schweiz vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wir geben nicht auf! Wir haben einen starken Wind im Rücken, den Zuspruch von 2’000 KlimaSeniorinnen und zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern. Mit diesem Wind segeln wir rheinabwärts von Basel nach Strassburg, um unsere Klage einzureichen. Eine wahre Inspiration waren für uns die vielen anderen Gruppen, die ihre Regierung erfolgreich vor Gericht brachten. Wenn wir unseren Fall in Strassburg gewinnen, so sagt man uns, könnten wir in Sachen Klima-Recht Geschichte schreiben. Wir hoffen, dass auch wir andere ermutigen können.