122 Fälle von Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in 34 Ländern, für die der Schweizer Konzern LafargeHolcim verantwortlich ist oder Verantwortung übernehmen müsste. Das ist das Ergebnis von Recherchen von Greenpeace Schweiz. Es braucht dringend bessere und verbindliche Regeln zur Unternehmensverantwortung und Schadenshaftung von global operierenden Konzernen – damit die Umweltverschmutzung gestoppt und geschädigte Menschen Wiedergutmachung geltend machen können.

Die meisten Skandale dauern an und ereignen sich in Afrika, Asien und Lateinamerika. Zumeist werden lokale Gesetze missachtet und internationale Standards nicht eingehalten. Häufig verwenden der Schweizer Zementhersteller LafargeHolcim bzw. dessen Tocherfirmen veraltete Technologien, sodass Menschen, Tiere und die Umwelt von schädlichen Emissionen betroffen sind. Einige Fälle lösten massive und langjährige Proteste aus. 

Feldrecherchen in drei Ländern

In Kamerun, Indien und Brasilien hat Greenpeace Schweiz vertiefte Feldrecherchen durchgeführt: Interviews, Probenahmen, weiterführende Abklärungen, Foto- und Videodokumentationen. Obwohl die Recherche durch die COVID-19-Pandemie, starke Regenfälle oder Angst der AnwohnerInnen vor negativen Konsequenzen erschwert wurde, ist das Bild eindeutig. 

Beim LafargeHolcim-Werk der Cimencam S.A. im Norden von Kamerun gibt es einen technischen Defekt im Kaminfiltersystem. Dadurch fallen grosse Mengen Staubabfälle an. Diese lässt die LafargeHolcim-Tochter unter anderem auf dem Gebiet eines öffentlichen Wochenmarktes abkippen. Menschen beklagen sich darüber, dass die Stäube bei Wind aufgewirbelt werden, ihre Waren bedecken und Reizungen auslösen. Laboranalysen weisen in den Staubabfällen aus dem Zementofen tatsächlich sehr hohe pH-Werte und hochgiftiges, krebserregendes Chrom(VI) nach. Die Vorgänge im LafargeHolcim-Zementwerk widersprechen internationalen Standards. Um zu erfahren, wie die auf dem Gelände des Wochenmarktes abgekippten Staubabfälle in der Schweiz und in Europa korrekt entsorgt werden müssten, hat Greenpeace eine Offerte eingeholt: Gemäss einer renommierten internationalen Entsorgungsfirma handelt es sich demnach um Sonderabfall, welcher in einer Sondermüllldeponie entsorgt werden müsste. Kosten: ca. CHF 900’000.-. (1)

In Punjab, im Norden von Indien, verfügt die LafargeHolcim-Tochter Ambuja Cement offenbar nicht einmal über eine Bau- und Betriebsbewilligung für ihre Flugaschen-Trocknungsanlage. Sowohl das Trocknen und Mahlen als auch das Transportieren von Flugasche und Klinker führen zu massiven Schadstoff-Emissionen, die jenseits gängiger internationaler Standards liegen und auch im Inneren von Privatwohnungen zu gesundheitlichen Problemen führen. Die indischen Behörden sind offenbar nicht in der Lage, geltendes Recht durchzusetzen und die AnwohnerInnen vor den schädlichen Emissionen zu schützen. Zum Schutz von Mensch und Umwelt braucht es daher zusätzliche Lösungsansätze.

Im LafargeHolcim-Werk in Barroso (Brasilien) gehen die Konflikte auf die 1950er-Jahre zurück, doch auch heute noch kommt es immer wieder zu Störfällen und Schadstoff-Emissionen, welche die Dächer der Stadt mit einer staubigen Schicht bedecken. Sogar die Staatsanwaltschaft beklagt sich darüber, dass LafargeHolcim in Barroso Standards nicht anwendet, welche anderswo in Brasilien gelten. Es gibt starke Indizien für Gesundheitsbeeinträchtigungen epidemischen Ausmasses. 

Der ehemalige Holcim-Ingenieur und Zementwerk-Emissionsexperte Josef Waltisberg, heute selbständiger Berater für Energie- und Umweltfragen des Zementprozesses, kommentiert den Greenpeace-Bericht wie folgt: «Die aufgedeckten Fälle sind brisant und die Missachtung grundlegender Standards nicht würdig für einen Schweizer Konzern wie LafargeHolcim. Die gezeigten Staubemissionen sind schlichtweg eine Schweinerei. Tatsächlich muss ich feststellen, dass sich die Standards des Konzerns seit der Fusion von Holcim mit Lafarge leider in vielen Bereichen verschlechtert haben.» (2)

Freiwilligkeit reicht nicht

Matthias Wüthrich, Leiter der Kampagne für Konzernverantwortung bei Greenpeace Schweiz kommentiert: «Nur schon die schiere Anzahl der in diesem Holcim-Report aufgedeckten Skandalfälle ist ein Skandal, denn sie zeugen von einer systematischen Missachtung von Menschenrechten und internationalen Umweltstandards. LafargeHolcim muss jetzt umgehend bei ihren Tochterfirmen intervenieren und dafür sorgen, dass die Umweltverschmutzung und Gesundheitsbelastungen ein Ende haben und betroffene Menschen entschädigt werden.» Bezüglich der Versprechungen von LafargeHolcim, überall höchste Standards anzuwenden, sagt Wüthrich: «Der Fall Holcim zeigt exemplarisch, dass wohlklingende Beteuerungen und freiwillige Firmen-Versprechen nicht reichen. Zum Schutz der Umwelt und der betroffenen Menschen braucht es dringend bessere und verbindliche Regeln zur Unternehmensverantwortung und Schadenshaftung von global operierenden Konzernen.»

Für Greenpeace Schweiz ist klar: Die Konzernverantwortungsinitiative, über die der Schweizer Souverän am 29. November abstimmt, verlangt eine Selbstverständlichkeit: Wer die Umwelt verschmutzt, muss wieder sauber machen. Wer anderen einen Schaden zufügt, muss dafür geradestehen.

(1) Auszüge aus der Entsorgungsofferte

(2) Detaillierte Einschätzung durch Zementwerk-Emissionsexperten Josef Waltisberg.

Weitere Informationen:

Kontakt:

Matthias Wüthrich, Leiter Kampagne Konzernverantwortung Greenpeace Schweiz,

+41 44 447 41 31, [email protected]

Medienstelle Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, [email protected]